Das Hischen Hus in Gehrden / Auszug, nur Text ohne Bilder

Gehrden, Neue Straße 8

Vom Wohn-Wirtschaftsgebäude zur Gastwirtschaft

Baugeschichte

Beitrag von Dieter Mahlert, Heimatbund Gehrden

 

Vorwort

Wer - wie wir vom Heimatbund Gehrden – die städtebauliche Entwicklung Gehrdens seit Jahren mit Interesse verfolgt, der weiß, wie sehr sich unsere Heimatstadt verändert hat. Zugegeben: einige Straßenzüge sind schöner geworden - aber bei anderen macht sich der Verlust alter Bausubstanz doch schmerzhaft bemerkbar.

Die hier vorliegende Ausarbeitung präsentiert mit dem Hischen Hus ein sehenswertes Baudenkmal in Gehrden. Die Einschätzung als erhaltenswürdiges Baudenkmal hat dabei das Amt für Denkmalpflege in Hannover vorgenommen (siehe dazu das Literaturverzeichnis). Die entsprechende Denkmaltopographie stellt eine der Grundlagen für dieses Heft dar.

Die Gruppe Gehrden im Heimatbund Niedersachsen legt einen Schwerpunkt ihrer Arbeit auf den Bereich der Denkmalpflege. Dazu sind weitere Ausarbeitungen über Gehrdener Objekte geplant. Wir beteiligen uns aber auch an aktuellen Diskussionen.

Unser großer Wunsch ist es, dass bei aller Bautätigkeit unsere kleine Stadt ihr „Gesicht“ behält.

Ich danke Fred Ebeling, Ernst und Cord Mittendorf, Carlos Schlegel, Bärbel Strodhoff und Jörg Wegener für die Bereitstellung von Unterlagen und Fotos für dieses Heft.

Dieter Mahlert

 

1984: Die Gaststätte „Hischen Hus“ ist fertig!

Ein Stück Gehrdener Geschichte wurde wieder lebendig!

Gemütliche Gastlichkeit im originalen Stil niedersächsischer Bauernhäuser

 

Der Anzeiger – das Wochenblatt für Gehrden und Ronnenberg – berichtet in seiner Ausgabe vom 12.Dezember 1984:

„Eines der ältesten und schönsten Kleinbauernhäuser im Ort, das „Hischen Hus“ an der Neuen Straße 8, wurde von den beiden Werbekaufleuten Klaus Strodthoff und Ralf Barthel im Herbst 1982 erworben, durch eine kostspielige Sanierung und Restaurierung vor dem Verfall bewahrt und Ende November als Gasthaus „Hischen Hus“ neu eröffnet.

In der im rustikalen Stil behaglich eingerichteten gastlichen Stätte, die nach den Vorstellungen der beiden Inhaber als Bierlokal einen besonderen Platz im Kommunikationsbereich der Stadt einnehmen soll, werden als bierbegleitende Speisen Spezialitäten wie Holsteiner Mettwurst und französischer Käse serviert.

Das nach der in den Torbalken geschnitzten Inschrift am 4. Juli 1825 fertiggestellte Fachwerkhaus wurde über 100 Jahre von mehreren Generationen der Familie Hische bewohnt, die u.a. den Bürgermeister Heinrich Hische stellte, der sich um die Stadt Gehrden verdient gemacht hat.

Wenn es für Klaus Strodthoff und Ralf Barthel nicht Hobby gewesen wäre, dieses schöne alte Fachwerkhaus zu erhalten, hätte sich wohl so leicht niemand gefunden, so hohe Investitionen einzusetzen. Es galt nämlich, die gesamten Schwellen und Ständer des Fachwerks bis zu einer Höhe von 60 cm zu erneuern.

So wurden nach Abstützung von jeweils 3 Metern tragender Wände nach und nach neue Fundamente gegossen, das Fachwerk ausgewechselt und – da das Haus nicht unterkellert ist – eine solide Grundplatte eingezogen. Eine Isolierung galt es auch von außen rund um das Haus anzubringen.

Im oberen Bereich des Hauses, der früher den Dachboden darstellte, sind Personal- und Lagerräume sowie ein Büro eingerichtet worden.“

 

Zur Person: Heinrich Hische (1883-1965)

Mit dem Hischen Haus wurde nicht nur ein Beitrag zur Erhaltung und zur Pflege des historischen Stadtbildes und bäuerlicher Traditionen geleistet, sondern auch ein Stück Gehrdener Geschichte wachgehalten.

Im Jahre 1883 wurde Heinrich Hische in diesem Haus geboren. Von Beruf Mauermeister und Bauunternehmer war er von 1909 bis 1964 mit Unterbrechungen in vielen Ehrenämtern aktiv, so z.B. Bürgervorsteher, Beigeordneter und Bürgermeister in Gehrden.

Der Sozialdemokrat Heinrich Hische wurde im 3. Reich politisch verfolgt und saß 1933 von Juni bis Oktober im Gefängnis.

Nach dem Krieg (1945) wurde Hische Bürgermeister in Gehrden und blieb es bis 1960.

1959 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande.1962 wurde er (2.) Ehrenbürger der Stadt Gehrden.

Heinrich Hische starb 1965.

Das Porträtbild im Eingangsbereich des Hischen-Hauses Neue Straße 8 erinnert an ihn.

 

„Hischen Hus“ heute (2014)

Eigentümer seit 2014 ist Jörg Wegener, Gehrden -Pächter seit 6 Jahren ist Carlos Schlegel,

 

Impressionen aus der Gaststätte

Die Innenwände wurden aus Massivholz gebaut, die Zwischendecken bestehen aus einer Holzbalkenkonstruktion mit Abdielung.

Holztreppen führen zu den einzelnen Ebenen.

 

Viel Mühe hat man sich mit der Ausstattung des Gastraumes gemacht. Zu seiner Ausschmückung wurden aus weiten Teilen Europas bäuerliche Geräte zusammengetragen. Weinpressen wurden zu Lampenschirmen, Radnaben zu Kerzenhaltern. Alles wirkt sehr rustikal. Der Gast fühlt sich wohl.

 

Das Hischen Hus – seine Lage im Ort

Das Hischen Hus hat die Hausnummer Neue Straße 8

Die drei parallel zueinander in Ost-West-Richtung verlaufenden Straßen Alte Straße, Kirchstraße und Neue Straße, die schon im frühen Mittelalter bestanden, bestimmen mit ihrer vorwiegend giebelständigen alten Bebauung teilweise noch heute das Bild der Innenstadt. Die für die mittelalterlichen Ackerbürgerstädtchen unserer Region kennzeichnende Giebelständigkeit mit den schmalen Gassen auf der Traufseite zwischen den Grundstücken sind im östlichen Verlauf der Neuen Straße – in dem sich unser Hischen Hus befindet – unverändert erhalten.

Hier lagen ursprünglich die Hofstellen der späteren Siedler (z.B. die Umsiedler aus den Ortswüstungen Spehr und Stehr), denen nur noch ein begrenzter Hofraum zur Verfügung gestellt werden konnte.

Typisch für die Außenwandgestaltung der Vierständerbauten Gehrdens ist das regelmäßig gegliederte Fachwerk mit den quadratischen Gefachen. Sie werden nur durch die konstruktiv notwendigen Streben aufgelockert.

Bei den jüngeren Fachwerkbauten im Ortskern verzichtete man auf die schmückenden konstruktiven Bauteile und beschränkte sich auf die farbliche Gestaltung des Dielentorbalkens.

Neben den Namenszügen der Erbauer sind hier die häufigsten Motive der Acht- und Sechsstern als Sinnbild der Sonne oder die Spirale. Aus dieser Spirale wächst dann der Lebensbaum heraus (siehe dazu auch S. 32).

 

Das niedersächsische Bauernhaus

Wie aus unterschiedlichen Quellen hervorgeht, wurde Gehrden im Laufe der Jahrhunderte von mehreren Brandkatastrophen heimgesucht. Fast der gesamte Baubestand wurde 1762 beim großen Brand zerstört. Die Margarethenkirche und das alte Brauhaus (heute Stadtmuseum) überstanden die Katastrophe.

Nach dem großen Brand wurden die Gebäude im Ortskern um den Markt als Hallenhäuser (= „Niedersachsenhäuser“) in Vierständerbauweise wieder aufgebaut. Sie stammen also fast alle aus der Zeit um 1800. Die Fachwerk-Bauweise konnte sich bis in die zweite Hälfte des 19.Jahrhunderts behaupten, dann wurde massiv in Backstein gebaut. Einige Steinhäuser behielten den Stil der Fachwerkhäuser bei (siehe Neue Straße 10: Mittendorf;), andere wurden zu Wohnhäusern mit städtischem Aussehen – siehe die sog. Rübenburgen.

Äußerlich zu erkennen ist der Vierständer an seinen mächtigen Proportionen, die er durch die hohen Traufen und das große Giebeldreieck gewinnt. Die Deckenbalken reichen über den gesamten Innenraum von Traufe zu Traufe. Der Dachbalken ruht bei dem Vierständer auf den beiden Innen- und den beiden Außenständern. Er ist also an vier Punkten von Ständern abgefangen. Durch diese Konstruktion ergibt sich eine Verlängerung des Dachbalkens, die gleichzeitig zu einer Vergrößerung des Sparrendreiecks und somit des Bergeraumes- z.B. für das Getreide - führt. Gegenüber dem Zweiständer wurde zudem ein ökonomischer Umgang mit dem in dieser Zeit immer kostbarerer werdenden Bauholz erreicht. Der Zugewinn an Raum für Ernte, Vieh und Bewohner war also beachtlich. Der steigende Bedarf an Backsteinen führte zur Gründung zahlreicher Ziegeleien. Die Ziegelei Gehrden der Gebrüder Seemann begann ihre Produktion im Jahre 1872.

 

Das niederdeutsche Hallenhaus

Das Niederdeutsche Hallenhaus oder Niedersachsenhaus ist nach der Schätzung von Fachleuten eine der häufigsten Fachwerkbauweisen. Es gilt als sog. Einheitshaus, d.h. Menschen, Tiere, Futter, Nahrungsmittel, Werkstatt und vieles andere waren zusammen unter einem Dach. Von der zentralen Feuerstelle aus, die mitten auf dem Flett lag, konnten die Inhaber ihr Vieh und das ganze übrige Haus im Blick behalten.

 

Wer schon einmal das Holzgerippe eines solchen Hauses gesehen hat, der kann den Namen Hallenhaus sehr gut nachvollziehen. Das Haus hat mit seiner großen Deele und dem Flett einen hallenartigen Charakter.

Entstanden ist das Niederdeutsche Hallenhaus wahrscheinlich in der Zeit zwischen 1500 und 1600 n.Chr. als die Landwirtschaft dazu überging, die Tiere nicht mehr ganzjährig draußen zu halten. Verbreitet waren diese Häuser in ganz Norddeutschland: von Schleswig-Holstein bis zum südlichen Nordrhein-Westfalen und in westöstlicher Richtung von Holland bis nach Danzig. Der Begriff „Niedersachsenhaus“ ist deshalb irreführend.

Das Einheitshaus diente allein dem bäuerlichen Betrieb. Die Diele war der Hauptwirtschaftsraum, auf ihr lagerte das Futter für die Tiere. In der Ernte wurde der große Erntewagen hier abgeladen, und im Winter erklang von hier das Geklapper der Dreschflegel. Die Diele war die konstruktive Mittelachse des Hauses, um sie herum gruppierten sich die anderen Räume.

 

Zum Hischen Hus: ein Wohn-Wirtschaftsgebäude

Auch die sog. „Kleinen Leute“, die Kötner und Handwerker, bauten ihre Häuser nach dem Muster des niedersächsischen Bauernhauses, nur kleiner. Während die Häuser der Vollmeier und Halbmeier Größenmaße von durchschnittlich 20:12 Metern aufweisen, sind die kleineren Häuser im Durchschnitt 12:9 Meter groß.

Der erste Besitzer des Hischen Hus` war der Handwerker Daniel Harbohrt (1825). Sein Haus hat eine Größe von 10,33:9,22 Meter. Das Hischen Hus ist also ein kleines Vierständerhaus, das zum Wohnen und zum Wirtschaften diente.

Seit 1984 ist es eine beliebte Gastwirtschaft. Die Bauart des Niedersachsensenhauses. Zunächst wird in der Größe des Hausvierecks eine niedere Grundmauer gezogen. Auf der Grundmauer liegt der Grundbalken. Auf dem Grundbalken stehen senkrecht die Ständer. Auf diesen liegt wieder ein großes Balkenviereck, der sog. Rähm. Grundbalken, Ständer und Rähm bilden einen großen Hauswürfel, das Erdgeschoss. Rechts und links der großen Diele gehen zwei Reihen Ständer durch das Haus, parallel mit der Außenlängsseite. Sie stehen ebenfalls auf einem Grundbalken, der auch seinerseits wieder auf einem Mauerstreifen liegt.

 

Das Hischen Hus in Gehrden

Großes Tor und große Diele unter dem Giebel sind die Hauptkennzeichen des Niedersachsenhauses. Die Toreinfahrt wird meist durch ein paar besonders schwere Ständer flankiert, über denen als oberer Torabschluss der Holm liegt, auf den in fast allen Fällen die personelle Inschrift eingeschnitzt ist. Auch der Holm wird durch Kopfbänder gestützt, die mit einer Verzierung in der Form eines Sternes oder eines Blütenzweiges versehen sind.

Die Giebelseite macht das konstruktive Gerüst des ganzen Hauses sichtbar. Es wirkt auch in seiner einfachen Gestaltung als rechteckige Gefache, die sich über die Giebelfläche verteilen, recht dekorativ, besonders, wenn die Gefache verputzt und weiß gekalkt sind. Dann macht der Linienzug der dunklen Hölzer auf dem hellen Grunde starken Eindruck.

 

Schmuck und Sinnbilder am Hischen Hus

Die Bauernhäuser unserer Stadt tragen vielfach Darstellungen und Zeichen, die die Vorderseite des Hauses mit allerlei Zierrat schmücken. Fast ausnahmslos beschränkt sich der Schmuck aber auf den Balken über dem großen Tor – so auch beim Hischen Hus.

Unser Haus Neue Straße 8 zeigt drei Schmuckformen in besonderer Deutlichkeit:

Inschrift auf dem Torbalken. „Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut, Ora et labora.* Friedrich Daniel Harbohrt – Dorothee Louise Charlotte Stegen * Anno 1825“

Jeweils rechts und links am Torbalken befindet sich der Achtstern. Er ist das Sinnbild der Sonne – und als soches Ausdruck der Gesetzmäßigkeit und der ewigen Wiederkehr.

Aus der Spirale heraus wächst der Lebensbaum. Er ist ein Sinnbild des Lebens. Denn der Baum, der im Hebst sein Laub verliert und im Frühjahr zu neuem Leben erwacht, musste den Menschen ein sinnvolles Beispiel der Wiederkehr des Lebens sein.

Nicht nur der Achtstern, sondern auch die Spirale ist ein Sinnbild der Sonne. Im Jahresgang schraubt sie sich auf einer spiralförmigen Bahn sowohl zur Sommer- als auch zur Wintersonnenwende (siehe dazu auch: Fütterer, 1991).

 

Pferdeköpfe am Hischen Hus

Die Pferdeköpfe am Giebel des Hischen Hauses wurden erst nach der Eröffnung der Gaststätte - ca. 1987 - angebracht. Die alten Fotos zeigen, dass das Gebäude früher ohne diesen Giebelschmuck auskam.

Die Pferdeköpfe sind eine an niederdeutschen Hallenhäusern häufig zu findende Verzierung der Windbretter am Giebel des Daches.

Oben am Giebel befand sich oft eine Öffnung, das sogenannte "Eulenloch". Durch diese Öffnung konnte der Rauch des Herdes abziehen und es konnten Eulen zum Mäusefangen auf den Dachboden herein. Das Dach war traditionell mit Stroh gedeckt. Um die Kanten des Strohdaches vor dem Ausfransen durch Windböen zu schützen, wurden diese oft mit Windbrettern (auch: Windfedern) eingefasst. Am Eulenloch wurden die Windbretter oft über die Spitze hinausgezogen, um Verzierungen anzubringen. Ob die Windbretter auch der Reduzierung von Windgeräuschen dienten, ist unklar.

Der bäuerliche Zimmermann ließ seinem Geschmack und seiner Phantasie häufig freien Raum, hielt sich aber auch wieder an ältere Vorbilder. Erneuerte der Hausbesitzer selbst den Schmuck, so nahm er wohl das alte Vorbild unmittelbar zum Muster. Älter als 200 bis 300 Jahre wird wohl kaum ein hölzerner Giebelschmuck geworden sein, dann war das Holz morsch. In Niedersachsen ist das Pferd das mit Abstand am häufigsten verwendete Tiersymbol. Dies geht wohl darauf zurück, dass das Sachsenross das Wappentier der welfischen Herzöge ist. Auch die Symbolik hinter der Blickrichtung der Pferde (nach innen oder nach außen) und der Anzahl der Zügel ist unklar. Im Volksglauben sind verschiedene Deutungen verbreitet, die sich aber allesamt nicht historisch belegen lassen.

 

Literatur: 

Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Baudenkmale in Niedersachsen. Landkreis Hannover 13.1. – Hannover 1988

Fütterer, Werner: GEHRDEN. Vom Flecken zur Großgemeinde. Gehrden 1991

Kageler, August: GEHRDEN. Entwicklung und Schicksale einer calenbergischen Kleinstadt. Gehrden 1950

Lindner, Werner: Das niedersächsische Bauernhaus (1912). Band III der Reihe: Beiträge zur Heimatkunde des Regierungsbezirks Stade. Hannover 1987

Fachwerk -Impressionen


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