Gelbe Heft Gehrden Nr. 38
Guten Morgen Herr Lehrer!
Erinnerungen ehemaliger Schüler aus Gehrden, Leveste, Lemmie und Northen
von Britta Beyersdorf, Rolf Delhougne, Fred Ebeling, Walther Heine, Dieter Mahlert, Ernst Mittendorf
Als Lausebengel in der Schule:  
Bericht von Friedrich Nölke, Einschulung 1942
Die Schulzeit der Jahrgänge 1 bis 4 fand in der Roten Schule statt. Die Jahrgänge 5 bis 8 wurden in der Weißen Schule unterrichtet. In der Roten Schule befanden sich im Erdgeschoss und im Obergeschoss je 2 Klassenräume. Außerdem gab es in dem Gebäude 2 Lehrerwohnungen. 
Zu meiner Schulzeit wohnte Lehrer August Meyer in einer Wohnung. Ein Klassenkamerad litt unter einer unheilbaren Krankheit. Das Krankheitsbild verschlechterte sich nach und nach. Eines Tages hat er sich mit dem jungen Lehrer Herrn Katzer auf dem Dachboden der Roten Schule geprügelt. Dabei ist die dort befindliche Modelleisenbahnplatte mit den Häusern und Straßen zu Bruch gegangen.
Auf dem alten Sportplatz am Burgberg wurde der Schulsport in Form von Hand- und Fußball betrieben. Auf dem Sportplatz befanden sich 2 Baracken, die die Schüler als Umkleideräume nutzten.
In der Schule war der Musikunterricht freiwillig und wurde von 12 Uhr bis 13 Uhr erteilt. Nachmittags gab es außerdem freiwilligen Englischunterricht.
Schulmittel, wie Schiefertafeln, Schreibzeug und Bücher mussten von den Eltern der Schüler selbst beschafft werden. Schreib- und Rechenhefte gab es nur gegen Ablieferung von Altpapier. Diese Regel gab es bereits während des Krieges als auch noch nach dem Krieg. Zum Malen wurden Tapetenreste mitgenommen, wie Ernst Mittendorf in Erinnerung brachte.
Es gab auch Religionsunterricht in der Schule und später Konfirmandenunterricht im Gemeindehaus. Hier gab es auch einen Vorfall, von dem erkrankten Klassenkamerad verursacht. Er hatte eine Fliegentablette auf die Heizung der Toilette des Gemeindehauses gelegt, die dann wie eine Stinkbombe wirkte. Daraufhin mussten alle Personen das Gebäude verlassen. Darüber freuten wir uns klammheimlich. In der Schule wurde jeden Morgen gesungen. Es gab keine Probleme mit Flüchtlingskindern, die nach dem Kriege in die Klassen kamen.
Für das Jugendherbergswerk hatten wir einen Betrag von ca. 2000,- Mark gesammelt. Das war ein äußerst hoher Betrag. Daher kamen wir auf die Warteliste der Jugend-herbergsausflüge ganz nach vorne und gewannen eine Woche Aufenthalt in der Jugendherberge Altenau im Harz. 

Auch sind wir mal in den Deister gefahren und sind den Bergkamm abgelaufen. Es war in der 5. oder 6. Klasse. Wir sind mit der Straßenbahn von Gehrden nach Barsinghausen gefahren, um von dort aus auf den Deisterkamm zu gehen. Dem Leiter der Wanderung, unserem Lehrer Herrn Walter Knust (genannt Knacker) war es nicht gelungen, die Gruppe von etwa 30 Schülern zusammenzuhalten. Wir mussten die Getränke und Proviant selbst mitnehmen. Herr Knust hatte keine Lust seinen Proviant selbst zu schleppen. Er übergab seinen Proviant an den Klassenkameraden Dieter Evers, der sich aber mit einer Gruppe von etwa 6 Schülern weit vorne, abgetrennt vom Hautkontingent der Gruppe, befand. Das hatte zur Folge, dass Herr Knust nichts zu essen bekam. Da er eine Mitschuld bei sich selbst einräumte, hatte dieses ungewollte Ereignis keine disziplinarischen Konsequenzen.

Bei Bombenalarm in Gehrden mussten wir Kinder mit den Erwachsenen in den Felsen-keller, eine künstliche Höhle im Gehrdener Berg, gegenüber der heutigen, griechischen Gaststätte „Odysseus“. Dort kamen wir Lausebengel auf die verbotene Idee, über eine lange seitliche Stahlleiter unter die Kellerdecke zu steigen und den in einem Betonring eingefassten Eisendeckel aufzu-drücken. So konnten wir ins Freie gelangen, um des Öfteren im Wald herumzutollen. Es ist Gott-sei-Dank nie etwas passiert.
Der Felsenkeller diente neben der Lagerung von Trockeneis und anderen Dingen der Gaststätte „Waldschlößchen“ sowie als Luftschutzraum für die Bevölkerung.
Wir hatten einmal während des Krieges in Gehrden einen Bombenabwurf miterlebt. In der Nachbarschaft ist eine Luftmine runtergefallen und hat die Fensterscheiben zerstört. Auf unser Haus in der Großen Bergstraße fielen 5 Brandbomben, die Gott-sei-Dank nicht explodiert sind. Das Kino ist damals ausgebrannt. Das war die einzige bemerkenswerte Kriegsein-wirkung, die wir als Kinder in Gehrden erlebt haben. Allerdings erinnere ich mich an mehr oder weniger täglichen Bombenalarm im Jahre 1943.
Ich habe in Erinnerung, dass unser Lehrer (Spitzname „Seppel“) Behnke bei offiziellen Anlässen in SA-Uniform rumlief. Er hatte die unangenehme Eigenschaft, während des Unterrichts mit seinem Schlüsselbund nach  unaufmerksamen Schülern zu werfen. Manchmal hat er auch getroffen.
Erinnerungen werden wach an die Aufmärsche vermutlich der HJ (Hitlerjugend) in schwarzen Uniformen, die an unserem Haus vorbei gingen, um zum Schießstand mit jeder Menge Fahnen über dem Felsenkeller zu marschieren. Einige Hitlerjungen waren mir namentlich bekannt. Der Ortsbauernführer war Hermann Kreipe. Der lief ebenso bei offiziellen Anlässen in brauner Uniform herum.
Einige der ehemaligen Hitlerjungen waren in der Nachkriegszeit in Gehrden bekannt, weil es Handballspieler waren. Sie gehörten zu einer Gehrdener Handballspitzenmannschaft.
Wenn wir im Unterricht Sport hatten, haben wir entweder Völkerball auf dem Schulhof gespielt, oder Fußball, Handball oder Leichtathletik auf dem Sportplatz am Gehrdener Berg unterhalb des Burgbergturmes. Den Weg von der Schule zum Sportplatz mussten wir immer zu Fuß laufen.
Zu der Zeit gab es noch die Schulmannschaften. Bei der Leichtathletik wurde gelaufen oder Hoch- bzw. Weitsprung durchgeführt. Es gab dort 2 einfache Umkleidehütten. Ich war 9 Jahre alt, als der Krieg zu Ende war. Hitlerjunge bin ich daher nicht mehr geworden.
Unangenehme Erinnerung habe ich an die körperlichen Züchtigungsstrafen der Lehrer. Ein Klassenlehrer schlug mit dem Lineal auf die Hände und der Musiklehrer mit dem Geigenbogen auf den Schüler, wobei er sich vor dem Schlagen unbemerkt an den unaufmerksamen Schüler heranschlich.
Zur Strafe mussten sich die Schüler  auch in die Ecke stellen, wenn sie sich nicht ordentlich betrugen.
Gute Erinnerungen habe ich an Rektor Lübmann, der Klavier spielte. Er hatte ein Schulorchester gegründet. Da spielten etwa fünf Schüler Gitarre, während ich als Einziger Geige spielte. Dann hat man aber versucht, mir dasGitarrespiel beizubringen. Es waren auch Mandolinenspieler dabei, und eine Schülerin spielte Schifferklavier. Die Gitarren wurden von der Schule gestellt. Die Mandolinen und das Schifferklavier waren hingegen Eigentum der Schüler. Die Geige gehörte mir. Sie ist aber relativ selten zum Einsatz gekommen. Es gab außerdem noch Blockflötenspieler.
 Der Musikunterricht fand außerhalb der regulären Unterrichtszeit statt. Ich erinnere mich an Sonnabendunterricht zwischen 12.00 und 13.00 Uhr. Nachmittags hatten wir zudem noch Englischunterricht auf freiwilliger Basis. Die Englischlehrerin wurde Mrs. Kraft genannt, weil sie ab dem Jahre 1947 Englischunterricht erteilte. Sie war eine Deutsche und wurde nur Mrs. genannt, weil sie Englisch unterrichtete. Sie gab auch private Englischkurse. Sie hatte auch einige Theaterstücke für Kinder geschrieben, die dann auf der Bühne im Ratskeller aufgeführt wurden. Ich erinnere mich, dass ich einmal einen Zwerg spielen musste.
Ich brauchte keinen Text zu sprechen. Wenn das Schulorchester spielte, dann war das ausschließlich in der Schule, zum Beispiel bei Elternnachmittagen.
Während des Krieges haben deutsche Soldaten Stellungen in die Hanglage des Gehrdener Berges gebaut. Diese Stellungen sahen von weitem aus wie Dachgauben.

Nach dem Krieg haben wir Jungen daher sehr viel Gewehr- und MG-Munition, sowie Handgranaten gefunden. Schulkamerad Volmer hat einmal aus den Patronen das Schwarzpulver aus Übungsmunition herausgeholt und dieses dann in einem Stahlhelm, halb voll mit Pulver, mit einem Streichholz angezündet. Dabei hatte er seine Kleidung eingebüßt, aber ansonsten Glück gehabt. Adolf Henke hatte eine Handgranate gefunden. Er war damals 10 oder 11 Jahre alt. Er hatte mit der Granate rumgespielt, als das Ding auf einmal losging. Dabei hat er seine linke Hand eingebüßt. Solche Geschichten sind in dieser Zeit am laufenden Band passiert.

Während des Krieges hatten wir auch 2 Schweine. Man durfte nur ein Schwein haben. Das zweite war illegal bzw. schwarz gehalten. Eines der beiden Schweine war einmal ausgerissen. Da mein Vater noch in Kriegsgefangenschaft war, musste mein Onkel Christian Schlenkermann das Schwein su-chen. Bei Nacht und Nebel wurde es gefunden und in den Stall zurück-gebracht.

Im Gegensatz zu vielen anderen hat-te unsere Familie, auch aufgrund unseres eigenen Gartens, keine Nahrungsmangelnot nach dem Krieg erlitten.







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