Geschichte Gehrden; Katholiken in Gehrden

Auszug aus einem Beitrag der St.-Bonifatius Gemeinde von 2000; Veröffentlicht im Internet.


Die Stadt Gehrden liegt am Nordosthang des Burg- bzw. Gehrdener Berges, wo im Mittelalter der Hellweg die Bischofssitze Minden und Hildesheim miteinander verband. Der bedeutende Hellweg wurde hier durch eine vermutlich frühmittelalterliche Wallanlage auf dem Berg geschützt.

Als Rodungsdörfer waren westlich von Gehrden die Siedlungen Stehr, im Norden das Dorf Spehr und in südlicher Richtung die Siedlung Südersen angelegt worden. Während Stehr und Spehr um 1600 wüst waren, ließ um 1650 Franz Ernst von Reden anstelle einer mittelalterlichen Befestigung das “Castrum Franzburg” erbauen, dem ein Rittergut angeschlossen war.

Die Gemarkungen der Wüstungen und des Rittergutes wurden später dem städtischen Weichbild von Gehrden einverleibt. Die Burg des Gutes lag in Gehrden, wo bis 1990 die Arbeiterwohnungen Franzburg bestanden.

Das mittelalterliche Gehrden wurde durch Viehhaltung und Ackerbau geprägt. Die drei großen Grundherren der Siedlung, das Kanonissenstift Wunstorf und die Augustinerinnenklöster Barsinghausen und Marienwerder, profitierten davon.

Im Mindener Archidiakonat Pattensen verfügte das Gotteshaus in Gehrden über Pfarrechte. Mit “Pleban Jordanus” wird 1323 der erste Pfarrgeistliche urkundlich greifbar.

Der Seelsorgesprengel der hiesigen Pfarrkirche umfasste das Rittergut der Familie von Südersen sowie die Siedlungen Ditterke, Lemmie, Redderse und die späteren Wüstungen Stehr, Spehr und Südersen. Flurnamen in Konsistorialakten aus dem 17. Jahrhundert weisen auf ein Margaretenpatrozinium hin.

Die benachbarte Edelfamilie von Südersen stiftete 1214 der Pfarrkirche einen neuen Altar zu Ehren der Hl. Dreifaltigkeit, der Jungfrau Maria, der Patronin der Kirche, sowie der Hl. Anna, des Hl. Vitus und des Hl. Devinius.

Die Patronatsrechte der Stiftung standen mit bischöflicher Bestätigung den Edelherren zu, die “Conrad Molendinarius” als Vikar bzw. als Kaplan einsetzten.

Ausgehend von der benachbarten Haupt- und Taufkirche St. Lukas in Pattensen war 1543 auch die Gehrdener Pfarrstelle visitiert und 1544 mit einem ev. Geistlichen besetzt worden.

Mit der Einführung der Reformation, die zunächst im Augsburger Religionsfrieden von 1555 und später mit der Normaljahrsbestimmung von 1624 auf Reichsebene gesichert wurde, zählte auch Gehrden und sein Umland zum kath. Missionsgebiet; dies endgültig seit der Aufhebung des Bistums Minden im Westf. Frieden von 1648.

Noch Mitte des 19. Jahrhunderts war Gehrden landwirtschaftlich geprägt. An die Landwirtschaft gebundene Gewerbearten, wie der Flachsanbau, die Bierbrauerei und die Leineweberei, waren bereits im 17. und 18. Jahrhundert in der Gemeinde entwickelt. Während man die Gehrdener Bierbrauerei im 19. Jahrhundert weiterhin betrieb, wurde der Flachsanbau eingestellt und 1852 die Leinenmanufaktur stillgelegt. Nur im häuslichen Bereich betrieb man noch Webstühle. 1884 wurde noch in zwei Häusern gewebt.

Die Industrialisierung hatte auf Gehrden Einfluss genommen, als man 1857 die Zuckerfabrik Neuwerk errichtete. Neben 65 Fabrikarbeitern erhielten weitere 157 Arbeitskräfte im Umfeld der Zuckerfabrik Beschäftigung. Arbeitsplätze stellte auch die 1872 gegründete Ziegelei zur Verfügung. Nur sie konnte nach dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) im Landkreis Linden die Herstellung von Ziegeln wieder aufnehmen.

Infolge der Arbeitsmöglichkeiten waren zahlreiche Katholiken in Gehrden ansässig oder vorübergehend wohnhaft geworden. Es waren hauptsächlich polnische und schlesische Landarbeiter, die man in der Ziegelei beschäftigte. Den ersten kath. Gottesdienst nach der Reformation hielt ein Priester von Hannover St. Clemens 1865 im Maschinensaal der Gehrdener Zuckerfabrik.

Als Saisonarbeiter waren die in der Landwirtschaft beschäftigten Katholiken jedoch nur vorübergehend in Gehrden wohnhaft, so daß die Fluktuation in der Gemeinde dementsprechend hoch war.

1895 waren in Gehrden 1 622 Einwohner ansässig, unter ihnen lebten 134 Katholiken.

Auf dem Hintergrund der schwankenden Gemeindegröße mußten die periodischen Gottesdienste bald wieder eingestellt werden. Nach der Jahrhundertwende hatten sich die Katholiken vor Ort erfolgreich für ihre Wiederaufnahme eingesetzt.

Die seelsorgliche Betreuung in Gehrden übernahm daraufhin die Godehardspfarrei in Linden. Als Notkirche diente seit 1906 eine Gaststätte.

Mit Hilfe von Pfarrer Maxen konnte 1909 ein Grundstück erworben werden, wo man von 1910 bis 1911 die St.-Bonifatius-Kirche erbaute. 1912 erhielt St. Bonifatius einen ortsansässigen Geistlichen.

Zur selbständigen Kirchengemeinde erhob man die Gehrdener Vikarie 1920, ihrem Seelsorgesprengel gehörten 41 umliegende Landgemeinden an. Die Missionsstation war jedoch nur von sechs umliegenden Gemeinden mit der Straßenbahn zu erreichen, was den Gottesdienstbesuch erschwerte.

Als erste Außenlinie der hannoverschen Straßenbahn war 1894 die Linie 10 für die Barsinghausener Strecke eingerichtet worden. 1896 ging sie bereits über Empelde zu den Siebentrappen, bis sie 1898 die Stadt Gehrden erreichte. Nicht nur für den Personenverkehr, sondern auch für die Straßenbahngüterbeförderung war die Strecke bedeutend; denn sie transportierte nicht nur die in Barsinghausen abgebaute Deisterkohle, sondern auch die Gehrdener Industriegüter.

Mit der “Industrialisierung”, die den Zuzug von kath. Arbeitskräften begünstigt hatte, war neuer Siedlungsraum um den Ortskern Gehrdens erschlossen worden. Vor den Toren des alten Fleckens und sogar jenseits der Ortsgrenze wurde Wohnraum geschaffen. Nördlich des Burgberges und westlich der Franzburg entstanden neue Straßenzüge, wo sich besonders Arbeiterfamilien niederließen; die Mietpreise waren hier niedrig. Gehrden war 1929 Stadtstatus verliehen worden. Im Jahre 1932 schloss man die Stadt dem erweiterten Landkreis Hannover an.

Die Stilllegung der Zuckerfabrik 1930 traf die Gemeinde wirtschaftlich schwer.

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 hatte sich die Gemeindemitgliederzahl von St. Bonifatius deutlich erhöht. Denn Katholiken aus allen Teilen des deutschen Reiches wurden in Gehrden und Umgebung bei der Land- und Erntehilfe sowie beim Arbeitsdienst eingesetzt. Die großangelegten Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg auf Hannover betrafen auch Gehrden, von größeren Kriegsschäden blieb es jedoch bewahrt.

Bereits während des Krieges war in Gehrden die Anzahl der Katholiken durch Ausgebombte und Evakuierte aus dem Rheinland gestiegen. Noch mehr 1945, als sich Heimatvertriebene und Flüchtlinge nicht nur in der Stadt, sondern auch im Umland ansiedelten.

In Empelde, Wennigsen, Großgoltern, Ronnenberg, Weetzen, Holtensen b. Weetzen, Leveste, Hohenbostel, Egestorf, Groß Munzel, Lathwehren, Hiddesdorf-Ohlendorf, Arnum und Lenthe richtete man daraufhin Gottesdienststationen ein.

1957 wurde nur noch in Weetzen, Wennigsen-Waldkater, Leveste und Benthe Hl. Messe gefeiert; diese Gemeinden sind weiterhin dem Pfarrsprengel von St. Bonifatius angehörig.

1946 wurden im Seelsorgesprengel etwa 800, 1955 bereits 2511 kath. Christen betreut. Mit 19 umliegenden Landgemeinden umfasste der Seelsorgesprengel den westlichen Teil des Landkreises Hannover.

Die Kirchengemeinde bestand etwa zu 70% aus Heimatvertriebenen und Flüchtlingen; unter ihnen befand sich ein hoher prozentualer Anteil von Angestellten und Industriearbeitern. Für die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge waren bereits 1945 16 Behelfsheime in der Stadt eingerichtet worden. Anschließend erschloss man das Gebiet außerhalb des Benther Berges für den Wohnungsbau.

1961 bis 1965 erfolgte die Bebauung des Teichfeldes. Sogar auf dem alten Sportplatz wurden ab 1970 Wohnungen gebaut. Bis zur Ausweisung des Nordfeldes im Jahre 1978 wurden zahlreiche Baulücken in der Stadt aufgesiedelt. 1991 begann man mit der Bebauung im Langen Feld, weitere Bauvorhaben sind in Planung. Als neues Gewerbegebiet war 1974 das Grundstück an der Ronnenbergstraße ausgewiesen worden, seine Erweiterung erfolgte 1989. Ein weiteres Gewerbegebiet wurde 1991 an der Levester Straße im Anschluss an das vorhandene Gewerbegebiet in Richtung Leveste zur Bebauung freigegeben. Auf dem Gelände der stillgelegten Zuckerfabrik war 1955 eine Teppichfabrik ansässig geworden. Das größte Industrieunternehmen Gehrdens gab jedoch 1985 die Fertigung zugunsten des Hauptwerkes in Hameln auf. Die seit 1965 in der Stadt ansässige “WÄSCH-Firmengruppe” für Druckereierzeugnisse ist heute mit ca. 300 Beschäftigten einer der großen Arbeitgeber der Stadt.

Seit Kriegsende hatte sich Gehrden zusehends zur Wohngemeinde für Angestellte, Selbständige, Unternehmer, Beamte und Arbeiter aus der hannoverschen Industrie entwickelt. Es ist deshalb auf Hannover als Arbeits- und Versorgungszentrum angewiesen.

Die Schenkung Ottomar von Redens war 1962 ausschlaggebend für den Bau des Robert-Koch-Krankenhauses. Da die Krankenhäuser in Barsinghausen und Empelde räumlich und von der technischen Ausstattung den modernen Anforderungen nicht mehr entsprachen, entschloss sich der Landkreis Hannover zum Bau des Krankenhauses in Gehrden.

Der Sozialstruktur der Stadt entspricht auch die Struktur der St.-Bonifatius-Gemeinde. Ihre Gemeindegröße ist deshalb von der wirtschaftlichen Lage der in Hannover beschäftigten Katholiken abhängig. Mit über 7 000 Katholiken war die Gemeindegröße von St. Bonifatius in den 70er Jahren auch längere Zeit weitgehend konstant.

Die Muttergemeinde St. Bonifatius war mit Wirkung vom 1. Januar 1962 zur Pfarrei erhoben worden. Ihr Seelsorgesprengel umfasste die Stadtgemeinde Gehrden sowie die Landgemeinden Argestorf, Benthe, Degersen, Ditterke, Everloh, Lemmie, Leveste, Northen, Redderse, Sorsum, Vörie, Weetzen und Wennigsen am Deister mit Wennigser Mark.

Durch die Gebietsreform waren der Stadt Gehrden 1971 die Gemeinden Ditterke, Everloh, Lemmie, Lenthe, Leveste, Northen und Redderse zugeschlagen worden. Die Gemeinden bestehen jedoch weiterhin in geschlossenen Siedlungsgebieten. Dem Anschluss von Lenthe nach Gehrden war kirchlicherseits 1982 entsprochen worden, als man die in Lenthe wohnenden Katholiken aus der Gemeinde Christ König in Hannover-Badenstedt in die Gehrdener St.-Bonifatius-Pfarrei umpfarrte, obwohl Lenthe heute zur Stadt Ronnenberg gehört. In Gehrden waren Pfarrheim und Pfarrhaus 1978 neugebaut worden.

Anschließend wurde die Hauptkirche St. Bonifatius bedeutend erweitert. Die Schaffung von Wohnraum und Arbeitsplätzen war Ziel der Stadt in den letzten Jahren. Als Gewerbestandort ist Gehrden heute gefragt. Dies wird mit etwa 3200 Katholiken im Pfarrsprengel von St. Bonifatius deutlich.


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