Einquartierungen von 1803 bis 1807 in Gehrden und in den Dörfern


Einleitung

Pastor Fraatz war seit 1800 Pastor in Gehrden. Er hat sich entschlossen über seine Amtszeit Notizen über wichtige, die Kirche und Gemeinde zu Gehrden betreffende Ereignisse in einem Buch festzuhalten. Die Aufschreibungen sind für die Gemeinde gedacht und sollten auch für seinen Nachfolger angenehm und interessant sein. Besonders interessant sind hier seine Aufschreibungen über die Franzosenzeit und die Einquartierungen der verschiedenen Truppen von 1803 bis 1807 in Gehrden. Pastor Glasenapp hat auch sehr ausführlich in seiner Ausarbeitung von 1955 berichtet.


Auszug aus dem Notizen-Buch von Pastor Fraatz

1803    Dieses Jahr, welches wir ruhig und friedlich anfingen, ohne an die Möglichkeit eines feindlichen Einfalls zu denken, wurde ein sehr unruhiges und sorgenvolles, und des erste von einer langen Reihe unter Druck und Lasten hinzubringender Jahre. Am 5tn Jun. rückte die Französische Armee unter Mortier in Hannover ein, und am 15ten kamen die ersten Franzosen, eine Compagnie des 5ten Husarenregiments, nach Gehrden ins Quartier. Fast das ganze Jahr hindurch blieb Gehrden mit Einquartierung belastet, und war selbst einige Monate hindurch der Sammelplatz der zu errichtenden französisch-deutschen Legion. Überhaupt hat unser Ort in diesem und in den folgenden Jahren vorzüglich vor allen benachbarten Orten gelitten, da er gemeiniglich belegt war, wenn auch die umliegenden Dörfer oft ganz frei blieben. Mein Haus blieb auch fast nie verschont.


1805    Bei dem von Österreich und Rußland gegen Frankreich begonnen Kampfe wurde unser Land und auch unser Ort von den Französischen Truppen befreiet. Wir hatten zuletzt fast ununterbrochen in den Jahren 1804 u. 1805 Einquartierung vom 5tn Französ. Chasseurregimente gehabt. Mit Freude nahmen wir die einrückenden Preussen auf, von denen auch eine Abtheilung Cuirassiers bei uns Quartier nahm. Bald darauf kamen die Russischen Truppen. Von dem Vor...., den der in Ronnenberg einquartierte Graf Ostermann commandierte, kam hierher der Staab der Cavallerie der Avantgarde.commandierenden Major von Prittwitz, unter dessen Befehl die hier einquartierte Compagnie Russischer Leib Cuirassiers und die in den benachbarten Dörfern liegenden Cosaken standen. Eine sehr kostbare Einquartierung! Nach mehreren Durchmärschen bekamen wir stehende Einquartierung, so stark und drückend, wie Gehrden sie wohl nie gehabt hat, und hoffentlich nie wieder haben wird. Es wurde hier der Staab, das Grenadierbataillon, die Artillerie und das Hospital des Regiments Kexholm, unter dem Befehl des Generals Werdenoffsky, einquartiert. Im Orte lagen zusammen 34 Offiziere und 958 Mann; in meinem Hause 5 Offiziere und 50 Unterofficiere und Bediente; in den beiden größten Meierhöfen des Daniel Bähre und Friedrich Wehde, in jedem 56 Mann. Und dies dauerte volle drei Wochen; da wurden uns zwei Compagnien abgenommen, die Übrigen blieben noch über 14 Tage. Hierauf erfolgten wieder Durchmärsche. Nach einer mäßigen Berechnung sind allein in meinem Hause in weniger als einem Vierteljahre 1100 Portionen Essen verabreicht. Fast schien es unmöglich, daß der Ort diese Last tragen könnte, auch waren alle Vorräthe erschöpft, dabei aber die Lebensmittel in diesem Jahre in sehr hohem Preise – Leider war bei dem Abmarsch dieser Truppen die Hoffnung einer erwünschten Rückkehr besserer Zeiten durch die Schlacht bei Austerlitz und die darauf folgenden Ereignisse wieder verschwunden


1806    Als nach dem Abzug der Englischen und Russischen Truppen unser Land von Preussen besetzt und nachher völlig in Besitz genommen wurde, hatten auch wir einige, jedoch sehr mäßige Einquartierung vom Preussischen Husarenregimente von Köhler. Ich wurde völlig verschont, so wie wir überhaupt von den Preußischen Behörden mit der größten Schonung behandelt wurden. Bei dem im Herbst d. J. zwischen Frankreich und Preussen ausgebrochenen Kriege wurde unser Land nach der Schlacht bei Jena von neuem von den Franzosen besetzt. Die umliegende Gegend, besonders auch Ditterke, litt viel von den durchziehenden Holländischen Truppen. Gehrden blieb diesmal meistentheils glücklich verschont, da es nicht unmittelbar an der Heerstrasse liegt.

 

1807    In diesem Jahr litt aber unser Ort wieder durch sehr schwere Einquartierung, da nach dem Abschlusse des Tilsiter Friedens ein Theil der Französischen Armee durch das 14 Hannöversche zurückmarschierte und längere Zeit darin verweilte. In Hannover lag über zwei Monate ein großer Theil der Kaiserl. Französischen Garde, in Gehrden und einigen benachbarten Orten während der Zeit die reitende Artillerie derselben, deren Park in dem Felde zwischen hier und Everloh aufgestellt war, in den weiter entfernten Dörfern der Artillerietrain. Ich hatte während dieser Zeit beständig zwei Offiziere nebst ihren Bedienten im Quartier, die mir beträchtliche Kosten verursachten


1808    Nach einer bei dieser Gelegenheit von mir eingereichten genauen Specification belief sich die von mir vom Juni 1803 bis Ende 1807, also in 4½ Jahren getragene Einquartierung, nach einem mässigen Anschlage zu Gelde gerechnet, auf die Summe von 646 Rth Cassen......, worin aber die während der Zeit von mir bezahlten Kriegssteuern, Fouragegelder und andere ähnliche Ausgaben noch nicht mit begriffen waren.


1810    In diesem Jahre erfolgte die schon lange erwartete Entscheidung, daß wir dem Königreiche Westphalen einverleibt werden sollten. Sämtliche Prediger und Schullehrer mußten sich daher auf der Superintendantur zu Ronnenberg versammeln, um den Huldigungseid zu leisten. - Gehrden wurde der Hauptort eines Cantons im Allerdepartment und der Sitz eines Friedensgericht. Friedensrichter wurde der bisherige Godrost von Hoke. Der Canton Meier hatte indessen hier seine Wohnung nicht, da die beiden Cantons Wunstorf und Gehrden mit einander vereinigt wurden, und der bisherige Herr Amtmann Friedrichs zu Blumenau Canton Meier für beide war. Commune Meier wurde der hier wohnhafte Herr Graf von Rohde.


1813    Wichtig und erfreulich war uns dieses Jahr, da in demselben die so lange gehoffte Befreiung unseres Landes von Feindes Gewalt erfolgte. Mit großer Unruhe sahen wir der Entscheidung des wichtigen Kampfs entgegen, und so sehr unser Muth im Sommer wieder gesunken war, umso größer war der Jubel, als die Nachricht von der glorreichen und in ihren Folgen so wichtigen Schlacht bei Leipzig sich verbreitete. Mit dankbarem Gefühl sangen wir unaufgefordert am 21stenTrinitatissonntage: „Bis hieher hat mich Gott gebracht“, nachdem wir vorher an den Geburtstagen des Königs Hieronymus und bei den Siegen der Französischen Armeen das Te Deum so oft gezwungen mit wehmütigem Herzen hatten anstimmen müssen.


1814    Mit frohen Empfindungen feierten wir am 7ten Sonnt. p. Trin. das seit länger als 10 Jahren ersehnte Friedensfest. Die herrliche Witterung und die Jahreszeit begünstigten die Feier des Tages. Altar, Kanzel und Chor waren mit Blumen, Girlanden, die übrige Kirche mit Girlanden von grünem Laube und darunter gemischten Blumen, und die Eingänge der Kirche mit Pforten von Tannenzweigen errichtet, geziert. Die mit Blumenkränzen geschmückten Kinder der drei Außendörfer zogen unter Begleitung der dortigen Gemeine singend aus ihren Oertern und stimmten wiederum beim Eintritt in den Flecken den Gesang an: “Nun danket alle Gott.“ So zogen sie in meine Wohnung. Auf gleiche Weise versammelte sich die hiesige Schuljugend im Schulgebäude und kam unter gleichem Gesange vor mein Hauß, von wo wir sämtlich unter Glockengeläute und unter Absingung des Gesanges: “Bringt her dem Herren“ um die Kirche und darauf in die Kirche zogen. Am Nachmittage geschah dasselbe unter Absingung der letzten Strofe des 30sten Gesangs. Gepredigt wurde vormittags über Eph. 3,20.21. und nachmittags über 4.116,12-14. Nach geendigtem Gottesdienst versammelten sich nachmittags Erwachsene und Kinder an dem beim Eingange des Hohlweges gelegenen Schützenplatze zu eineranständigen Fröhlichkeit.


1815    Diese unsere Freude und die nach langer Entbehrung uns umso angenehmere Ruhe wurde durch die unerwartete Nachricht von Bonapartes Wiedererscheinung in Frankreich auf einige Zeit wieder unterbrochen. Doch zerstreuete der am 18ten Juni erfochtene große Sieg bei Waterloo unsere Besorgnisse, wurde die Freude über dies wohltätige Ereignis dadurch getrübt, daß mehrere Mitglieder der Gemeine mehr Angehörige oder Freunde an jenem wichtigen Tage verloren hatten.


1815    Das Dankfest für den bald wieder errungenen Frieden wurde am letzten Sonntage des Jahres, jedoch ohne besondere Feierlichkeiten, angestellt. Gepredigt wurde über 4 28, 6-9


Share by: